Phonetik und Co.: Mahlzeiten sind Sprachzeiten – So fördern Sie die Sprache beim Essen
Bei den gemeinsamen Mahlzeiten kommt meist ein Großteil der Kinder zusammen. Gemeinsame Mahlzeiten können dabei viel mehr, als nur den Magen der Kinder füllen. In fröhlicher Runde wird nicht nur das Essen zum Genuss, sondern es stellt gleichzeitig auch ein kommunikatives Erlebnis für alle dar. Es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, um im Alltag die Phonetik und Phonologie der Kinder zu trainieren. Wie das ganz einfach geht und wie Sie die Mahlzeiten in der Kita zu wertvollen Sprachförderzeiten werden lassen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Phonetik, Phonologie und phonologisches Bewusstsein sind sehr sperrige Begriffe. Daher möchte ich kurz auf diese Fachausdrücke eingehen: Die Phonetik beschäftigt sich mit der Bildung von Lauten (Artikulation) sowie mit der Übertragung (durch Töne) und der Wahrnehmung von Lauten (Hören). Die Kinder nehmen die Laute über das Gehör auf, sie müssen aber noch im Gehirn verarbeitet werden, damit die Kinder verstehen, was gesprochen wurde. Dabei geht es nicht nur um Laute unserer Sprache, sondern um alle Laute, die von Menschen mithilfe ihrer Sprechwerkzeuge hervorgebracht werden, und als Bestandteil menschlicher Sprache fungieren können. Das können auch Laute sein, wie beispielsweise ein ähh oder mhhm.
Die Phonologie beschäftigt sich mit
- der Kombination von Lauten (Lautverbindungen). Beispielsweise wird aus den Lauten h, au, s das Wort Haus.
- den kleinsten, bedeutungsunterscheidenden Einheiten der Sprache (Phonemen). Beispielsweise kann sich durch den Austausch des Anfangsbuchstaben eine ganz neue Bedeutung ergeben. Wenn Sie bei dem Wort „Haus“ den Anfangslaut „H“ durch ein „M“ ersetzen, wird aus Haus eine Maus. Beide Wörter unterscheiden sich nur in einem Phonem („H“ bzw. „M“). Dieser Laut ist allerdings bedeutungsunterscheidend, also Untersuchungsgegenstand der Phonologie.
Das phonologische Bewusstsein, ist die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung und die Struktur der Sprache zu lenken. Die Kinder können Wörter in Silben und Laute unterteilen. Ihnen ist bewusst, dass es kleinere Einheiten als Wörter gibt.
Spiele für die Förderung des Phonologischen Bewusstseins bei den Mahlzeiten
Bei diesem Spiel geht es um die Anfangslaute der Speisen. Hierzu überlegen die Kinder, welche Anfangslaute die Speisen haben, die gerade auf dem Teller liegen. Beispielsweise gibt es eine Nudelsuppe mit einem „N“ am Anfang. In der Suppe sind Möhren mit „M“, Fleisch mit „F“ und Porree mit einem „P“. Die Suppe ist „F“ wie flüssig und schmeckt „L“ wie lecker. Das Spiel können geübte Kinder ab ca. 5 Jahren auch mit den Endlauten spielen.
Die Suppe endet mit einem „E“, der Fisch mit einem „SCH“ und die Kartoffel mit einem „L“. So trainieren die Kinder eine wichtige Vorläuferfunktion für das spätere Schreiben- und Lesenlernen. Alternative oder Ergänzung zur Spielanleitung: Spielen Sie mit den Kindern ein lustiges Rätselspiel, bevor das Essen auf den Tisch kommt.
Ein 5-jähriges Kind darf schon mal vorab in die Schüsseln schauen und den Kindern die Anlaute der Speisen nennen. Nun sollen die anderen Kinder erraten, welche Speisen es heute zu essen gibt. Da können aus einem „F“ wie Fisch auch schnell ein paar Froschschenkel werden.
Wichtig: Verwenden Sie immer nur die Laute und nicht die Buchstaben. Das ist wichtig, um den Kindern später das Schreiben zu erleichtern. Sagen Sie [nhh] anstatt [än].
Tischspruch zum Reimen
Das bewusste Wahrnehmen von Reimstrukturen erlernen Kinder erst dann, wenn sie Reimwörter produktiv gebrauchen. Eventuell ist der Tischspruch Ihrer Gruppe vor dem Essen ein Reim. Verwenden Sie nicht jeden Tag denselben Tischspruch, sondern bieten Sie den Kindern unterschiedliche Sprüche an. Lassen Sie die Kinder selbst den Reim erraten. Beispielsweise bei dem Tischspruch: „Roll, roll, roll, der Teller ist so …“ sollen die Kinder erraten, welches Wort sich auf „roll“ reimt und zudem noch einen Sinn ergibt. So könnte das Wort mit „voll“ und auch mit „toll“ ersetzt werden.
Speisen voller Reime
Auch während des Essens können Sie mit den Kindern reimen. Hierzu suchen die Kinder ein Reimwort für eine Speise, ein Getränk oder einen Gegenstand, der auf dem Tisch steht. Gibt es beispielsweise Fisch zu essen, wäre ein Reimwort Tisch. Solche Reimspiele können die Kinder nur lösen, wenn sie genau auf den Klang der Wörter hören.
Bei den Reimen darf es aber auch lustig zugehen. Die Reimwörter müssen nicht immer einen Sinn ergeben. Auf Fisch reimt sich auch Risch, Lisch, Kisch oder Misch. Denn es geht darum, dass sich die Kinder darin üben, auf den Klang der Wörter zu hören. Das erreichen Sie genauso gut mit Fantasiewörtern.
Stärkung der Mundmuskulatur und -motorik
Zu einer guten Lautbildung ist eine genaue Artikulation der einzelnen Laute erforderlich. Je besser Kinder ihre Lippen-, Zungen- und Kieferbewegungen steuern können, umso leichter verstehen andere Personen die einzelnen Laute. In kaum einer Alltagssituation lassen sich die Sprache und die Artikulation besser fördern als beim Essen. Die Kinder trainieren alleine schon durch die Bewegungen beim Kauen und Trinken die Gesichtsmuskulatur und die Mundmotorik.
Dies ist auch ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Speisen. Nahrungsmittel mit einer festeren Konsistenz erfordern von den Kindern mehr Kaubewegungen und einen höheren Krafteinsatz, als sehr weiche oder breiige Lebensmittel. Bieten Sie den Kindern eine Zusatzstunde „Mundgymnastik“ beim Essen an. Das geht ganz einfach: Regen Sie die Kinder an, die Speisen intensiv mit dem Mund und der Zunge wahrzunehmen.
Nachdem die Kinder von der Speise abgebissen haben, sollen sie diese mit der Zunge wahrnehmen. Fragen Sie:
- „Wie fühlt sich das Stück an?“
- „Welche Form hat es?“
- „Wie fühlt sich die Oberfläche an?“
- „Wie schmeckt es?“
Mit dem Wissen, dass die „Muckis“ im Mund stark gemacht werden, sind sicherlich alle Kinder begeistert dabei. Sprechen Sie mit den Kindern über ihre Erfahrungen und auch über die Wahrnehmungen.
Denn die Entwicklung von Sprache, Motorik und Wahrnehmung stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Integrieren Sie daher solche Aktivitäten immer wieder in Ihre Mahlzeiten. Gerade wenn Sie Kinder in der Gruppe haben, die eine schwache Mundmuskulatur haben oder undeutlich sprechen, ist dieses Angebot eine gute Fördermöglichkeit. Je jünger die Kinder sind, desto wichtiger ist die Förderung einer guten Mund- und Zungenmuskulatur.
Vielleicht probiert ein Kind dabei sogar auch Speisen, die es ansonsten nicht mag. Beispielsweise, wenn es darum geht, ein Stück Möhre auf Oberfläche, Festigkeit und Form zu untersuchen. Wenn das Kind diese Speisen nicht mag, ist das absolut in Ordnung. Akzeptieren Sie es, denn es geht um Spaß und Genuss.
Fazit
Gestalten Sie Ihre Mahlzeiten in der Kita nicht nur unter dem Aspekt „satt werden“. Denn ganz nebenbei können Sie auch die Phonetik und die Phonologie fördern. Das ist kein Mehraufwand, sondern in der Regel ein lustiger Spaß für die Kinder. Hierzu brauchen Sie nur die vorgestellten Spiele in die Mahlzeiten zu integrieren. Das Suchen nach den Anfangslauten und das Reimen werden für die Kinder bald zur Selbstverständlichkeit werden. Achten Sie darauf, dass die Kinder auch genügend Zeit für die Kommunikation untereinander haben. So fördern Sie viele Bereiche der Sprache