Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern: Wie läuft sie ab?

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff Persönlichkeit wird schon in frühem Kindesalter relevant. Denn die Persönlichkeitsentwicklung von Menschen beginnt mit der Geburt, zieht sich durch das gesamte Leben und wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. 

Definition: Was genau bedeutet eigentlich Persönlichkeit?

Es gibt zahlreiche Definitionen des Begriffs Persönlichkeit, die sich alle etwas voneinander unterscheiden oder unterschiedliche Aspekte betonen. Persönlichkeit meint in der Regel die Gesamtheit der individuellen Eigenschaften, persönlichen Besonderheiten und Erfahrungen sowie das Auftreten und Verhalten eines Menschen.

Verschiedene Faktoren haben Einfluss auf die Persönlichkeit:

  • Genetische/angeborene Voraussetzungen
  • Erfahrungen
  • Erziehung
  • Das familiäre und soziale Umfeld

In der klassischen Psychologie dreht sich vieles um das Zusammenspiel von Genetik, Erfahrungen und Umfeld, wenn es um die Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern beziehungsweise bei Menschen geht. Persönlichkeitsentwicklung meint daher die Entwicklung der eigenen Individualität sowie der eigenen Identität und Identifikation mit der Persönlichkeit

Wie haben die großen Psychologen unserer Zeit den Persönlichkeitsbegriff definiert?

Die Persönlichkeit ist etwas Einzigartiges, mit dem sich schon viele große Psychologen beschäftigt haben. Sie alle haben unterschiedliche Ansätze, wie sich Persönlichkeit definiert:

Sigmund Freud: Der Begründer der Psychoanalyse ging davon aus, dass der Mensch mit angeborenen Trieben und Instinkten zur Welt kommt. Er unterteilt die Persönlichkeit in drei Bereiche, das Es ist der Träger der Triebe – es strebt nach Vermeidung sowie Lustgewinn. Das Über-Ich ist die kontrollierende Instanz, die Werte- und Normvorstellungen, sowie die Moral und das Gewissen. Dazwischen steht das Ich, das zwischen Es und Über-Ich vermittelt – es trifft die Entscheidungen und definiert letztlich, wie stark der Mensch von Trieben bzw. von Moral geleitet wird. 

Abraham H. Maslow: Laut dem Psychologen Maslow haben alle Menschen ähnliche Bedürfnisse, die hierarchisch angeordnet sind. Die niedrigsten Bedürfnisse sind die Grundbedürfnisse, wie Schlaf, Hunger oder Durst. Darauf folgen höhere Bedürfnisse wie die nach Sicherheit oder Zuwendung. Laut Maslow handeln Menschen danach, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, wobei die Grundbedürfnisse immer zuerst befriedigt werden. Danach geht es an die höheren Bedürfnisse und erst dann, wenn auch diese erfüllt sind, folgt die Selbstverwirklichung, in der der Mensch seine Fähigkeiten auslebt.

John B. Watson: Der Begründer des Behaviorismus geht davon aus, dass das Verhalten eines Menschen auf Lernprozessen basiert und dass andauernde Verhaltenstendenzen die Persönlichkeit eines Menschen ausmachen. Watson war der Meinung, dass sich Persönlichkeit durch Erfahrungen, Konditionierungen, Gewohnheiten und Erziehung ausprägt. 

Burrhus F. Skinner: Im Zusammenhang mit dem Behaviorismus war der Lerntheoretiker Skinner der Meinung, dass sich die Persönlichkeit durch verstärkende Faktoren wie Belohnung und Bestrafung ausprägen kann. Wird ein Verhalten belohnt, tritt es wahrscheinlich erneut auf. Bleibt die Belohnung aus, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit auch das Verhalten reduziert. Somit besagt auch Skinner, dass die Persönlichkeit durch Erfahrungen geformt wird.

Hinweis: Diese Theorien prägen die Psychologie bis heute, gelten zum Teil aber auch als zu einseitig. Daher wird heute davon ausgegangen, dass sowohl die Umwelt als auch die Veranlagung einen Einfluss auf die Persönlichkeit haben.

Welchen Einfluss haben die verschiedenen Faktoren auf die Persönlichkeitsentwicklung?

Genetik und die angeborenen Voraussetzungen, Erziehung, das familiäre und soziale Umfeld sowie Erfahrungen prägen die Persönlichkeitsentwicklung. So wirken sich die verschiedenen Faktoren aus:

GenetikDie Tendenz zu bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen wie zum Beispiel die Ausprägung des eigenen Temperaments, kann erblich bedingt sein. So haben Kinder, deren Eltern ein stark ausgeprägtes Temperament haben, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, ebenfalls temperamentvoll zu sein.
ErziehungDer Umgang der Eltern mit dem Kind beeinflusst die Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich – schließlich handelt es sich insbesondere in der frühen Kindheit um die wichtigsten Bezugspersonen, deren Verhalten sich auf die Entwicklung des Kindes auswirkt.
Familiäres & soziales UmfeldGeschwister und Freunde beeinflussen ebenfalls, wie sich die Persönlichkeit entwickelt. So werden zum Beispiel Verhaltensmuster von größeren Geschwistern abgeschaut und im Jugendalter sind Freunde oft wichtige Bezugspersonen für Kinder.
ErfahrungAlle Erfahrungen, die Menschen im Laufe ihres Lebens machen, können die Persönlichkeit prägen. Wer zum Beispiel in der Schule gemobbt wird, kann sich zu einer verschlossenen Persönlichkeit entwickeln. Andersherum können positive Erfahrungen zu Selbstvertrauen und einer optimistischen Grundhaltung führen.

Welche Modelle zur Bestimmung von Persönlichkeitstypen gibt es?

Je nach Charakter lassen sich Menschen in unterschiedliche Persönlichkeitstypen einteilen. Es gibt unterschiedliche Modelle, die verschiedene Persönlichkeitstypen beschreiben. Dies geschieht in der Regel auf Basis des Verhaltens und der Art der Entscheidungsfindung einer Person. Zu den bekanntesten Modellen gehören diese 4:

Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI): Persönlichkeitstypen werden auf Basis vier verschiedener Faktoren kategorisiert, die für unterschiedliche Charakterdimensionen stehen: Außen-Innen-Orientierung, Weltbild, eigener Entscheidungsmodus sowie Strukturen, auf Basis derer Menschen handeln. Durch verschiedene Testfragen lassen sich 16 Persönlichkeitstypen definieren, wie zum Beispiel der Freigeist, der Träumer oder der charismatische Anführer.

Persönlichkeitstypen nach Carl Gustav Jung: Jung unterscheidet acht Persönlichkeitstypen auf Basis von vier psychischen Grundfunktionen: Denken, Fühlen, Empfinden und Intuition. Diese Grundfunktionen können entweder introvertiert oder extrovertiert ausgeprägt sein, wodurch sich die Persönlichkeit eines Menschen formt. 

Big-Five-Modell: Bei diesem Modell geht es weniger um Persönlichkeitstypen, sondern eher um die Ausprägung von fünf Persönlichkeitsmerkmalen: Neurotizismus, Extrovertiertheit, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit. Dieses Modell wird heute in der Persönlichkeitsforschung häufig als das Standardmodell zur Kategorisierung eingesetzt.

Riemann-Thomann-Modell: Mit diesem Modell lässt sich der Persönlichkeitsschwerpunkt eines Menschen erfassen, indem die Bedürfnisse sowie vier Grundausrichtungen einer Person kategorisiert werden. Dazu zählen Näheorientierung, Distanzorientierung, Dauerorientierung und Wechselorientierung. Allerdings können Menschen in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Orientierungen an den Tag legen, weshalb dieses Modell nicht als Persönlichkeitsmodell verstanden werden sollte.

Welche Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung gibt es in den verschiedenen Altersstufen?

Je nach Alter gibt es unterschiedliche Faktoren, die die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. Jede Lebensphase unterliegt verschiedenen Einwirkungen und prägt die Persönlichkeit eines Menschen:

Persönlichkeitsentwicklung in der frühen Kindheit (0-2 Jahre)

In den ersten Lebensjahren wird die Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich von den engsten Bezugspersonen beeinflusst – in der Regel die Eltern. Dabei haben Kinder in diesem Alter noch keine eigene Persönlichkeit, sondern ahmen vielmehr vorgelebtes Verhalten nach beziehungsweise reagieren auf Situationen. Sie bilden ersten Verhaltensmuster aus, die dann in späteren Jahren die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. Sind Eltern zum Beispiel häufig gestresst und reagieren hektisch auf das Schreien eines Babys, ist es wahrscheinlicher, dass es später in Situationen selbst Schwierigkeiten hat, gelassen zu sein.

In den ersten zwei Lebensjahren lässt sich das Temperament eines Babys bereits erkennen. Einige Babys weinen viel und sind schwer zu beruhigen, was für starke Gefühlsregungen spricht. Andere Babys sind sehr kontaktfreudig, mögen es auf den Arm genommen zu werden und sind leicht zu beruhigen. Wie Eltern auf diese Neigungen reagieren, trägt dazu bei, ob Babys diese weiter ausprägen oder ihr Verhalten anpassen. 

Persönlichkeitsentwicklung in der Kindheit (2-6 Jahre)

In dieser Zeit werden Kinder nicht mehr nur durch die Eltern, sondern auch durch ihr Kita-Umfeld geprägt. Andere Kinder und die Erzieher wirken auf die Kinder und die Fülle an Sinneseindrücken nimmt zu. Ab dem vierten Lebensjahr zeigt sich die eigene Persönlichkeit eines Kindes immer deutlicher anhand von Wesenszügen wie Offenheit, Extrovertiertheit oder Gewissenhaftigkeit. Kinder beginnen wahrzunehmen, wie ihr Verhalten auf andere wirkt. Auf Basis dieser Wahrnehmung erfolgt eine Beurteilung, aus der sich ein Selbstkonzept und das Selbstwertgefühl entwickeln.

Persönlichkeitsentwicklung in der Schulzeit (6-12 Jahre)

Während der Schulzeit werden die Einflüsse der Eltern immer stärker mit denen durch andere Personen durchmischt. Die Beziehung zu Lehrern und zu anderen Kindern führt zu stetig neuen, äußeren Einflüssen, die die Persönlichkeit prägen. Finden Kinder sich beispielsweise in der Schule gut zurecht, haben Anschluss und erfahren viel positive Bestärkung, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich ein gesundes Selbstbewusstsein und Resilienz ausprägen. 

Leistungsanforderungen, die Schulatmosphäre und pädagogische Konzepte prallen während der Schulzeit auf Kinder, die sich mitten in der Entwicklung befinden und ihre eigene Identität gerade erst entdecken. Auch das Familienkonstrukt zuhause prägt die Persönlichkeit der Kinder, zum Beispiel wenn sich Eltern während dieser Zeit trennen.

Persönlichkeitsentwicklung als junge Erwachsene (12-18 Jahre)

Ab dem zwölften Lebensjahr sind Jugendliche in der Lage, komplexer zu denken und auch Zusammenhänge zu erfassen, die über ihre eigene Lebensrealität hinausgehen. So entwickeln sie ein Bewusstsein über Probleme in der Welt. Außerdem entfalten Jugendliche die Fähigkeit zur Selbstkritik und Reflexion und erkennen, wenn Sie sich selbst gut oder schlecht verhalten haben.

Die Ausprägung eigener Normen und Werte basiert viel auf der Umgebung eines Menschen. Falls beispielsweise Ehrlichkeit und Loyalität wichtige Werte im eigenen Umfeld sind und vorgelebt werden, so setzen sich Jugendliche mit diesen auseinander und übernehmen sie gegebenenfalls für sich selbst. Werden die Bedürfnisse der jungen Erwachsenen durch ihr soziales Umfeld unterstützt, so bildet sich daraus eine stabile Identität. Wer zum Beispiel ein großes Bedürfnis danach hat, im Mittelpunkt zu stehen und darin von seinem Umfeld unterstützt wird, entwickelt sich wahrscheinlich zu einer extrovertierten Person. 

Wie funktioniert die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts? 5 Tipps für Eltern und Erzieher

Ein positives Selbstkonzept zu entwickeln, geschieht insbesondere durch Interaktion mit anderen. Zu erfahren, wie andere auf die eigene Person reagieren, prägt die Selbstwahrnehmung. Sowohl durch Sprache als auch durch nonverbales Verhalten, erhalten Kinder Rückmeldungen. Sie benötigen Raum für ihre Entwicklung, in dem sie ihren Neigungen und Bedürfnissen nachgehen können. Erfolgen darauf positive Rückmeldungen, wird ein positives Selbstkonzept gestärkt. 

Kinder mit einem positiven Selbstkonzept vertrauen in ihre Fähigkeiten, können neue Herausforderungen besser bewältigen und begegnen neuen Erfahrungen zuversichtlich. Zur Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts können sowohl Eltern als auch Erzieher, weitere Bezugspersonen und Freunde im Laufe des Lebens beitragen:

  1. Eltern sollten die Liebe zu ihrem Kind nicht an Bedingungen knüpfen, sondern ihnen diese von Beginn an ohne Gegenleistung entgegenbringen.
  2. Lob und Bestärkung als Reaktion auf Handlungen prägen das Kind positiv und fördern das Selbstvertrauen des Kindes. Differenzierte Rückmeldungen helfen, Unsicherheiten zu beseitigen, Schwierigkeiten zu begegnen und Herausforderungen zu meistern.
  3. Kinder sollten für ihre Handlungen nicht abgewertet werden.
  4. Die Vermittlung von Normen und Werten helfen Kindern im Laufe ihres Lebens bei der Entscheidungsfindung.
  5. Bei Gefühlen wie Wut und Trauer, aber auch Freude von den Eltern begleitet zu werden, ohne dafür bewertet zu werden, dient der Ausbildung von Resilienz und einem positiven Selbstkonzept dahingehend, dass auch schwierige Situationen durchgestanden werden können.

Welche Rolle spielen Erzieher bei der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung?

Erziehern kommt in der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern eine bedeutende Rolle zu – schließlich sind sie im Alter von ein bis zwei und sechs Jahren neben den Eltern wichtige Bezugspersonen für die Kinder. 

Eine positive Erzieher-Kind-Beziehung bestärkt die Kinder in ihrer Persönlichkeit. Positive Verstärkung zu erhalten sowie beim Entdecken der Welt und Durchleben von Emotionen begleitet zu werden, führt zur Ausprägung eines Selbstwertgefühls. Erzieher können dafür verschiedenes tun:

  • Kinder ernst nehmen. 
  • Kindern zuhören, ihre Fragen beantworten und mit ihnen sprechen. 
  • Kindern Regeln und Grenzen aufzeigen. 
  • Die Persönlichkeit von Kindern anerkennen und wertschätzen – ihnen das Gefühl geben, dass sie gut sind, so wie sie sind.
  • Durch entsprechende Spiele und Projekte, aber auch durch die alltägliche Kommunikation die sozialen und emotionalen Kompetenzen der Kinder fördern. 
  • Kindern vorurteilsfrei begegnen, ihnen Raum geben, sich so zu zeigen, wie sie gerne sein wollen und sie darin positiv bestärken.
  • Die Kita-Räumlichkeiten kindgerecht ausstatten, sodass die Kinder ihrem natürlichen Bewegungsdrang und ihrer Neugierde folgen können.
  • Widerstand, Ablehnung und Grenzen respektieren.
  • Kinder nicht mit anderen Kindern vergleichen. 
  • Kinder immer wieder ermutigen und zu Durchhaltevermögen zu motivieren. 
  • Mit Kindern lachen und ihre Freude teilen.
  • Als gutes Beispiel vorangehen, freundlich sein, Respekt zeigen und eine positive Lebenseinstellung vorleben.
  • Kinder bei der Selbstbildung und Entdeckung unterstützen, indem mit ihnen gespielt und gemeinsam gelernt wird.

Der Aufbau einer positiven Beziehung zwischen Kindern und Erziehern sollte im Interesse der Eltern sein, schließlich können die pädagogischen Fachkräfte den Kindern viel mitgeben. Sie fördern ihre sozialen und emotionalen Kompetenzen, unterstützen sie bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und können so dazu beitragen, dass die Kinder für die Herausforderungen ihres Lebens gut gerüstet sind.

Fazit: Die Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern zu unterstützen ist Aufgabe von Eltern und Erziehern

Die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern beginnt schon früh und ist zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen. Eltern und Erziehern kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, indem sie ihre Kinder dabei unterstützen, so zu sein, wie sie sind. Bedingungslose Liebe, Respekt, Augenhöhe, Ermutigung, Lob und Förderung ihrer Kompetenzen sorgen dafür, dass sich das angeborene Temperament der Kinder im Zusammenspiel mit der Umwelt entwickeln kann. In der Kita wird den Kindern der richtige Raum dafür geboten, sich selbst auszuleben und nach und nach besser kennenzulernen.